Was war da, bevor Blaso da war?
Analog dem dadaistischen Statement „Bevor Dada da war, war Dada da“ bin ich versucht zu sagen: Bevor Blaso da war, war Blaso da. Aber das stimmt natürlich so nicht. Quantitativ und qualitativ konnten wir vor 50 - 55 Jahren nicht entfernt mithalten mit dem, was heute das Blasorchester des Paulinums bietet. Wir, das war etwa ein Dutzend Schüler (Schülerinnen gab es damals leider noch nicht am P.), die sich Ende der 50er Jahre um Stud.-Assessor Redeker sammelten, um Musik für Bläser zu spielen. Dabei konzentrierte man sich hauptsächlich auf leichtere Stücke und Intraden, die zu festlichen Anlässen in der Aula gespielt wurden, und – ganz wichtig – auf Choräle und Kirchenlieder, mit denen wir bei der sogenannten Großen oder Brandprozession durch die Altstadt die versammelte Schülerschaft begleiteten. (Eine pikante Situation in diesem Zusammenhang und aus ebendieser Zeit schilderte übrigens der bekannte Filmregisseur Ulrich Schamoni in seinem Roman „Dein Sohn lässt grüßen“, den er als 19-jähriger schrieb und der als jugendgefährdend indiziert wurde).
Für Verstärkung unserer überschaubaren Schar haben wir Aktiven z.T. selbst gesorgt und jüngere Schüler, so gut wir es konnten, „angelernt“. Redeker war da ein guter Animateur und das, was man als lässigen Typen bezeichnen könnte, sowie ein ungemein guter Musiker und Pianist. Und das traf auch auf eine Reihe anderer Lehrer am Paulinum zu, angefangen von Direktor Hugenroth, der sehr gut Bruckner spielte, Studienrat B.A.M. Bussmann, ein Pianist, der den ganzen Beethoven „draufhatte“ und regelmäßig Konzerte gab, Studienrat Walter, der nach dem Krieg, wenn ich mich recht entsinne, im Rundfunktanzorchester von Adalbert Lutschkowsky Pianist war, und Chor und Streichorchester am Paulinum leitete. Nicht vergessen will ich zwei hervorragende Lehrer und Amateurmusiker, die Studienräte Krüger und Führer, mit denen ich gelegentlich im Streichtrio spielte. Von etlichen guten Musikern, die aus der Schülerschar jener Jahre hervorgingen, möchte ich nur den Pianisten Professor Klaus Hellwig nennen.
Als Sohn eines Sängers war es für mich nach dem Übergang aufs Paulinum natürlich Ehrensache, im Chor mitzumachen. Unvergesslich ist mir da eine Aufführung der Matthäuspassion mit Helmut Krebs und Theo Adam in der Halle Münsterland.
Wenn man durch die Jahre hin verfolgt hat, wo das Blasorchester überall in der Welt gespielt hat, kann man schon neidisch werden. An eine einzige „Weltreise“ von Chor und Orchester kann ich mich erinnern: sie ging …...zur Porta Westfalica.
Während des Studiums und in den ersten Berufsjahren geriet dann die Musik etwas in den Hintergrund. Doch in Luxemburg, wo ich im Sprachendienst des Europäischen Parlaments arbeitete, machte ich nach einigen Jahren in einem Orchester mit, als Hornist.
Zweimal war die „Capella Paulina“ mit ihrem damaligen Leiter Dr. Warthorst zu Gast in Luxemburg und hat sowohl bei ihren Konzerten als auch bei der legendären Springprozession in Echternach einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Ich war doch recht stolz auf „meine alte Truppe“, auch wenn ich nur ihrem bescheidenen Vorläufer angehört habe, und ich bin auch stolz auf die Ehrenmitgliedschaft.
Nach meiner Pensionierung sind meine Frau und ich nach Dänemark gezogen, wo ich z.Z. noch in zwei Orchestern spiele, einem Harmonieorchester sowie einem Unterhaltungsorchester mit Streichern, Klavier und Bläsern, das seinen Schwerpunkt bei Walzer, Operette, Musical hat. Seit Jahren habe ich regelmäßig und für verschiedene Orchesterformationen geschrieben, meist arrangiert, darunter, nach den Originalmanuskripten, etliche Stücke des „dänischen Strauß“ H.C. Lumbye, eines Zeitgenossen des Walzerkönigs, immer eine spannende Sache.
Als ich beim Farbenfest 2013 zum 100-Semester-Treffen meines Abiturjahrgangs mit Freude wieder einmal das Blaso hörte, kam mir ein alter Holzschnittdruck eines Schulliedes („Quo vesana ruis“) des Paulinums aus der Zeit nach den Täuferwirren von 1534/35 in den Sinn, das mir für eine Umsetzung im alten Stil für Harmonieorchester geeignet schien. Und so setzte ich es in den Computer und schickte es dem Orchesterchef, Herrn Holtmann. Vielleicht findet das Orchester das Stück tauglich und interessant genug.
Mein Vorschlag für eine kürzere Reise in nicht allzu ferner Zukunft: Wie wäre Dänemark, evtl. mit einem Konzert im Tivoli und weiteren in Roskilde, Hørsholm (Partnerschule) oder Helsingør (Kronborg)? Wäre „fett“, wie man hier sagt.
Abschließend meine generelle Erfahrung aus der langen Zeit im Ausland: Legt Horn, Oboe, Saxophon oder welches Instrument auch immer nach dem Abitur nicht beiseite! Denn ….wie heißt es so treffend? Mit dem Hut (sprich Horn et cetera) in der Hand - kommt man durch's ganze Land (bzw. durch die ganze Welt) und trifft überall auf sympathische Menschen.
Dr. Wolfgang Marguc